Implantat gibt Gegensteuer

Wissenschaftler entwickelten eine neue, komplexere Art von genetischem Schaltkreis. Damit konnten sie im Mausmodell die Schuppenflechte, eine chronische Entz¨¹ndungskrankheit der Haut, erfolgreich therapieren.

Vergr?sserte Ansicht: Science Translational Medicine / Chris Bickel. Reprinted with permission from AAAS
Der neuentwickelte Gen-Schaltkreis kann zwei verschiedene Molek¨¹le gleichzeitig erkennen. (Grafik: Science Translational Medicine / Chris Bickel. Reprinted with permission from AAAS)

ETH-Professor Martin Fussenegger nennt sie molekulare Prothesen: biologische Zellen mit speziell entwickelten Gen-Schaltkreisen, die sich in einen Organismus implantieren lassen und dort Stoffwechselfunktionen ¨¹bernehmen, die der Organismus selbst nicht leisten kann. Fussenegger und seinen Mitarbeitenden am Departement Biosysteme der ETH Z¨¹rich in Basel ist es nun gelungen, eine solche molekulare Prothese zu entwickeln, die in ihrer Funktion weit komplexer ist als bisherige. Sie ist darauf zugeschnitten, die Schuppenflechte (Psoriasis), eine komplexe und chronische Entz¨¹ndungskrankheit der Haut, zu therapieren.

Bisher realisierte Gen-Schaltkreise kontrollierten meist nur, ob in ihrer Umgebung ein Stoffwechselmolek¨¹l A vorhanden ist. Falls ja, stellten sie als Antwort darauf ein Stoffwechselmolek¨¹l X her. Der neue, komplexere Schaltkreis kann gleichzeitig zwei Molek¨¹le A und B aufsp¨¹ren. Und nur wenn beide vorhanden sind, stellt er die Molek¨¹le X und Y her. ?Wir haben mit Zellbauteilen ein sogenanntes logisches Und-Gatter entwickelt, wie wir es aus der Elektronik kennen und ohne dieses kein Computer funktionieren w¨¹rde?, sagt Fussenegger. Einen Schaltkreis mit einem solchen Und-Gatter (englisch: AND gate) haben die Forschenden in M?use implantiert. Dieser vermochte im Mausmodell Sch¨¹be der Schuppenflechte erfolgreich zu unterdr¨¹cken.

Die neue molekulare Prothese nutzt dabei die Sprache, mit der Immunzellen im K?rper miteinander kommunizieren: die Sprache der zahlreichen Botenstoffe, welche die Immunzellen sowohl herstellen als auch erkennen k?nnen.

Prothese unterst¨¹tzt das Immunsystem

W?hrend eines Psoriasis-Schubs sind die verschiedenen Zellen des Immunsystems gleich in zweierlei Hinsicht involviert: Einerseits sind sie daf¨¹r verantwortlich, dass es zu einer Entz¨¹ndungsreaktion kommt, indem sie die Produktion verschiedener Botenstoffe erh?hen, darunter jene mit den Bezeichnungen TNF und IL-22. Andererseits produzieren sie zu einem sp?teren Zeitpunkt eine Reihe von Botenstoffen, welche die Entz¨¹ndung wieder abklingen lassen. Darunter sind die Botenstoffe IL-4 und IL-10.

Der von den ETH-Forschenden entwickelte Schaltkreis kann die entz¨¹ndungsf?rdernden Molek¨¹le TNF und IL-22 erkennen. Sind diese beiden Botenstoffe gleichzeitig vorhanden (und nur dann), produziert er die entz¨¹ndungshemmenden Molek¨¹le IL-4 und IL-10. ?So hilft unsere molekulare Prothese dem Immunsystem, die Entz¨¹ndungsreaktion zu unterdr¨¹cken?, erkl?rt Fussenegger.

Designer-Zellen in por?ser Kapsel

Die Wissenschaftler schlossen je 200 Zellen einer menschlichen Zelllinie mit diesem Gen-Schaltkreis in einer winzigen por?sen Kapsel aus Algengelatine ein. Jeweils 6000 dieser kleinen Kapseln injizierten die Wissenschaftler in den Bauchraum von M?usen. Dort bildeten sich nat¨¹rlicherweise neue Blutgef?sse, welche die Kapseln an den Blutkreislauf anschlossen.

Mit einem Medikament l?sten die Wissenschaftler bei den M?usen eine der Schuppenflechte ?hnliche Entz¨¹ndungsreaktion der Haut aus. Dabei verglichen sie Tiere, denen sie zuvor ?Designer-Zell-Kapseln? implantierten, mit solchen ohne Kapsel. Nur letztere zeigten Entz¨¹ndungssymptome. Das Implantat unterdr¨¹ckte die Entz¨¹ndungskrankheit erfolgreich.

Schaltkreis als Fr¨¹hwarnsystem

Heute werden bei Schuppenflechte meistens nur die Symptome ¨C entz¨¹ndete, juckende und mitunter schuppende Hautpartien ¨C mit einer lokal angewandten Salbe bek?mpft. Dar¨¹ber hinaus gibt es medikament?se Therapien, die im ganzen K?rper wirken.

In der Regel beginnt man mit solchen Therapien, wenn ein Psoriasis-Schub aufflammt. ?Daher hinkt man mit den existierenden Therapien den Symptomen praktisch immer hinterher?, sagt Fussenegger. Die Gen-Schaltkreis-Implantate eigneten sich hingegen gut zur Vorbeugung. ?Der Schaltkreis beginnt schon fr¨¹h, entz¨¹ndungshemmende Botenstoffe zu produzieren ¨C schon dann, wenn sich ein Schub auf der Ebene der entz¨¹ndungsf?rdernden Botenstoffe abzeichnet und nicht erst, wenn Hautausschl?ge sichtbar werden.?

Auch f¨¹r andere Entz¨¹ndungskrankheiten

Bei den erfolgreichen Experimenten in M?usen handle es sich um eine Machbarkeitsstudie, sagt Fussenegger. Ob und wann solche Designer-Zellen im Menschen eingesetzt werden k?nnen, sei ungewiss. Denkbar sei jedoch, dass solche Designer-Zellen dereinst auch in Psoriasis-Patienten implantiert werden. Weil wachsendes Bindegewebe das Implantat mit der Zeit vom Blutkreislauf abschotten k?nnte, m¨¹sste es ein Arzt wohl alle paar Monate ersetzen.

Auch f¨¹r andere Krankheiten k?nnten sich solche biologischen Schaltkreise mit Und-Gatter eignen. Fussenegger: ?Chronische Entz¨¹ndungskrankheiten sind ein gutes Beispiel f¨¹r Krankheiten, die sich nicht mit der Messung eines einzigen Molek¨¹ls diagnostizieren lassen.? Mit einer Designer-Zelle, die das Profil mehrerer Botenstoffe im Blut messe, liessen sich solche Krankheiten jedoch in der Regel diagnostizieren. Und wenn diese Designer-Zelle gleich noch therapeutische Molek¨¹le produziere, dann t?ten sich k¨¹nftig vielsprechende Behandlungsm?glichkeiten f¨¹r eine ganze Reihe von Krankheiten auf.

Literaturhinweis

Schukur L, Geering B, Charpin-El Hamri G, Fussenegger M: Implantable synthetic cytokine converter cells with AND-gate logic treat experimental psoriasis. Science Translational Medicine 2015, 7: 318ra201, doi: externe Seite10.1126/scitranslmed.aac4964

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